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Eine Schule für den Frieden

Friday 16 April 2010

 

16. April 2010 von Gemeinsame Redaktion
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Neve Shalom: Seit 1979 gibt es ein Friedensdorf, in dem Israelis und Palästinenser gemeinsam leben und lernen

Der mühsame Weg der Verständigung beim Reden miteinander und dem Hören aufeinander: jüdische und palästinen- sische Jugendliche im gemeinsamen Disput in Neve Shalom. Fotos: Neve Shalom
Es gibt im Nahen Osten nicht nur eine Spirale aus Hass und Gewalt. Es gibt auch Initiativen die zeigen, dass es anders geht. Ein Beispiel ist das Friedensdorf Neve Shalom.

Ein Dorf in Israel: Weiß getünchte Häuser, Schatten spendende Bäume, herumtollende Kinder, in der Nachbarschaft Olivenhaine. Das Ortsschild: ein Regenbogen, der die Straße überspannt. Auf halbem Wege zwischen Jerusalem und Tel Aviv liegt das Dorf mit dem etwas sperrigen Namen »Neve Shalom/Wahat al-Salam«, was die Dorfbewohner gerne mit »Quelle des Friedens« übersetzen.

Und dann, nur vier Kilometer entfernt, der brutale Kontrast. Acht Meter hohe Betonmauern mit Wachtürmen, Stacheldraht, schussbereite Soldaten am Checkpoint: Die Grenze zum Westjordanland, die Nahtstelle zweier Völker also, die sich erbitterte Kämpfe liefern und sich so ineinander verbissen haben, dass ein Zusammenleben schier unmöglich scheint.
Mittendrin in dieser geballten Ladung an Hass und Gewalt ein Dorf, in dem seit über dreißig Jahren Israelis und Palästinenser friedlich miteinander leben. Eine Insel der Glückseligkeit? »Wir leben mit dem Konflikt, nicht neben ihm«, betont Evi Guggenheim-Shbeta, und fügt hinzu: »Wie unsinnig dieser Krieg doch ist! Letzten Endes wird doch verhandelt werden müssen und zu einem Abkommen gefunden werden. Wenn nur ein winziger Bruchteil des Geldes, das jetzt in diesen Krieg investiert wird, in Friedensarbeit investiert würde!«

Evi Guggenheim ist Jüdin und entstammt einer traditionsbewussten Familie, die vor dem NS-Regime in die Schweiz floh. Als 19-Jährige wanderte sie von Zürich nach Israel aus und heiratete dort den muslimischen Palästinenser Eyas Shbeta, dessen Familie 1948 von den Juden vertrieben und enteignet wurde. Beide gehören zu den Pionieren des Friedensdorfes, das einmalig ist in Israel. Durch ihre Liebe leben beide bis heute vor, wie die Traumata von Hass und Gewalt überwunden werden können.

Doch gegründet wurde das Dorf nicht von ihnen, sondern von Bruno Hussar. Der konvertierte 1935 vom ­Judentum zum katholischen Glauben und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Dominikaner-Priester in Jeru­salem, wo er die Konflikte zwischen jüdischen Israelis und palästinensischen Arabern hautnah miterlebte. So reifte in ihm der Entschluss, eine »School for Peace« (Friedensschule) zu gründen – als Kontrast zu den staatlichen Militärakademien. Denn: »Auch der Frieden ist eine Kunst, die gelernt werden muss.« Doch vom Traum bis zur Verwirklichung sollten noch neun Jahre voller Widerstände vergehen.

Aber 1979 konnte endlich die erste jüdisch-arabische Jugendbegegnung auf einem Brachland stattfinden, das Hussar vom Trappistenkloster Latroun pachtete. Seitdem haben mehr als 40000 israelische Juden und palästinensische Araber an den Begegnungen und Kursen der »School for Peace« teilgenommen. Und obwohl die Schule mehrfach internationale Friedenspreise erhielt, wird sie bis heute vom Staat Israel finanziell nicht gefördert. Die benachbarte Grundschule hingegen, die ebenfalls zum Friedensdorf gehört, wurde 1993 staatlich anerkannt und erhält seitdem wenigstens 25 Prozent ihres Schulgeldes erstattet.

Aus dem einstigen Brachland entstand unter unsäglichen Mühen ein ganzes Dorf, in dem inzwischen über 50 Familien wohnen. Und ständig kommen neue hinzu, doch nicht jeder der zahlreichen Bewerber wird aufgenommen: »Wir wollen Leute, die hinter der Idee des gemeinsamen Lebens von Juden und Arabern stehen«, betont Frau Guggenheim-Shbeta.

Auch wird streng auf die jüdisch-arabische Parität in allen Lebensbereichen geachtet: »Wir wollen gleiche Grundlagen für alle schaffen und das Ungleichgewicht der Kräfte beseitigen«, meint der Lehrer Abdelsalam Najjar, dessen Alltagserfahrung als palästinensischer Araber außerhalb des Dorfes eine ganz andere ist: »Ich versuche, auch am Checkpoint den Soldaten gegenüber als gleichwertiger Mensch aufzutreten«, umschreibt er die Diskriminierung, der sich dort viele Palästinenser ausgesetzt fühlen.

Frieden könne nach der Erfahrung Najjars nur entstehen, wenn beide Seiten ihre Energie statt in Gewalt­tätigkeiten in friedensstiftende Aktionen stecken würden. »Das gelingt aber nur, wenn wir den anderen als Partner und nicht als Feind zu akzeptieren lernen.«

Von Rainer Borsdorf
Weitere Informationen und einen Rundbrief in deutscher Sprache gibt es bei: Freunde von Neve Shalom/Wahat al Salam e.V., Sonnenrain 30, 53757 Sankt Augustin, Telefon (02241) 331153, Fax (02241) 396549, E-Mail
www.nswas.org


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