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Evi Guggenheim Shbeta: 20 Mai, 2021
Donnerstag 20. Mai 2021, von
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Liebe Freunde und Freundinnen,
Wir konnten uns kaum freuen, dass wir aus der Corona Krise herauskommen und uns wieder freier bewegen können, da ist der Krieg in unserer Gegend wieder mit voller Wucht ausgebrochen. Seither leben wir zwischen Angst vor Raketen, Wut über die politische Situation, Trauer wie auch Sorge und Hilflosigkeit über die riesige Zerstörung und die zahlreichen Opfer in Gaza worüber wir direkt informiert werden, dies von einem Mitglied von NSWAS der monatlich mit der Organisation "Physicians for Human Rights" um medizinische Betreuung zu geben nach Gaza fährt. Die Bilder, die er von seinen Kollegen bekommt sind einfach schrecklich. Zwei Ärzte von seinen Kollegen, Abteilungsleiter im Shifa Spital sind bei den Bombardierungen umgekommen.
Was uns jedoch am meisten deprimiert, besorgt und Angst macht ist die Situation innerhalb von Israel, vor allem in den gemischten Städten, wo die Spannungen von extremistischen Raudi Gruppen beider Seiten das zerbrechliche Gewebe des Zusammenlebens der jüdischen und arabischen Bevölkerungen existenziell bedroht.
Hier im Dorf darf ich berichten, dass unser friedliches Zusammenleben trotz den Unruhen ausserhalb, von denen auch zahlreiche Familien unserer Mitglieder direkt betroffen sind, funktioniert. Obschon auch hier die Meinungen und Identifikationen zum Teil stark auseinander gehen, wir bleiben zusammen, auch wenn wir Schmerz, Not und Ohnmacht durch die Situation empfinden. Aus dem Bedürfnis uns gegenseitig anzuhören, um der seelischen Not Worte zu geben, trafen wir uns vor ein paar Tagen abends zu einem Gespräch. Ueber 80 jüdische und palästinensische Mitglieder kamen zusammen.
Die jüngere, zweite Generation war in der Überzahl, was mich am meisten bewegte. Ich möchte Euch an zwei von vielen Aussagen, die in meinen Augen alles sagen, teilhaben lassen. Ein jüdischer, 19 jähriger, der im Moment in der Computereinheit der Armee seinen Militärdienst leistet sagte zu einem anderen palästinensischen jungen Mann: Ich war so sehr verletzt, als Du mich in der Whatsappgruppe des Dorfes angegriffen hast, ich wollte kaum mehr mit Dir kommunizieren, aber schlussendlich liebe ich Dich, wie mein Bruder, wir sind ja zusammen aufgewachsen, und das ist stärker als alles. Auch das erste palästinensische Mädchen, die in unserem Dorf aufgewachsen ist, und die einige Jahre mit ihrem Mann und ihren Kindern in der Altstadt von Jerusalem wohnte teilte mit uns unter Tränen mit: "Ich hatte Angst vor den Soldaten, die dort patrouillieren.... was, wenn mein Sohn eine ihnen verdächtige Bewegung macht und sie sich bedroht fühlen.....und ihr Finger leicht am Abzug ist....?!" Kaum ein Auge blieb dabei trocken, der Schmerz der Situation berührte uns alle und wir sind froh, dass sie jetzt mit uns lebt.
Wir haben noch einen Grund zu Zufriedenheit.... In dieser schwierigen Zeit der Spannungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen werden auch immer mehr Kundgebungen und Aktionen für ein friedliches Zusammenleben organisiert. Zahlreiche der von unserer Friedensschule ausgebildeten "Change Agents" gehen in Aktion über und wir hoffen und beten, dass diese Kräfte sich mit den zahlreichen Menschen auf beiden Seiten, die für ein friedliches Zusammenleben sind vereinen und einen Lawineneffekt haben werden.
Während ich Euch diese Zeilen schreibe höre ich im Hintergrund ständig die Detonationen. Südlich von uns fliegen immer noch Raketen von Gaza über die Grenze nach Israel, viele davon glücklicherweise abgewehrt von den israelischen Anti Raketen. Ich höre auch das Dröhnen der Kampfflugzeuge, die wieder auf dem Weg nach Gaza sind.
Wir hoffen und beten für einen baldigen Waffenstillstand, damit unsere friedensbildende Arbeit wieder erneut und mit neuem Tempo aufgenommen werden kann. Denn Verzweiflung ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten dürfen......
Mittlerweile sende ich euch einen herzlichen
Shalom, Salam Gruss aus unserem Neve Shalom Wahat al Salam.
Eure Evi.