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No. 23

September 2003, von Evi Guggenheim Shbeta

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Liebe FreundInnen,

Im Sommer hatten wir einige allzu kurze Wochen der vorsichtigen Hoffnung der zerbrechliche Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern möge doch anhalten. Allzu schnell ist jedoch die Gewaltspirale mit voller Macht wieder ausgebrochen und hat uns alle wieder tief in die Sackgasse der vermeintlichen Ausweglosigkeit des Konfliktes zurückgeschmettert.

Könnt Ihr Euch erinnern, dass ich im Nachrichtenbrief No. 20 die fünf verschiedenen Phasen der Konfliktverarbeitung in der Friedensschule geschildert habe? Anscheinend sind wir leider immer noch tief in der vierten Phase der Sackgasse und es wird noch einige Zeit dauern bis wir uns dem Ende dieser unerträglichen Phase nähern.

Aber auch in dieser scheinbar hoffnungslosen Zeit gibt es Lichtblicke. Um die fünfte Phase eines anderen Dialoges unter vollem gegenseitigem Respekt und Anerkennung zu erreichen, muss ein Prozess der Versöhnung und Anerkennung des jeweiligen Leids des Anderen stattfinden. Als solche Zeichen sehe ich einerseits die Initiative vom Palästinensischen Pater Emil Shouffani mit einer palästinensischen Delegation Ausschwitz zu besuchen, und somit eine palästinensische Auseinandersetzung mit dem Holocaust zu initiieren. Andererseits gibt es die Organisation „Zochrot“ - auf Deutsch „Erinnerung“ - welche sich zum Ziel gesetzt hat, überall in Israel wo ein palästinensisches Dorf, das zerstört wurde gestanden hat eine Gedenktafel anzubringen und somit die jüdische Auseinandersetzung mit der palästinensischen „Naqba“ – Katastrophe- thematisiert. Dies sind Ansätze beiderseits, das Leiden des Andern anzuerkennen und sich damit auseinanderzusetzen, ein unabkömmlicher Schritt auf dem Weg zur Versöhnung. Mit beiden dieser Organisationen hatten wir in Neve Shalom/Wahat al Salam (NS/WS) während den letzten Monaten gemeinsame Anlässe.

In diesen Monaten arbeiten wir in unseren verschiedenen Institutionen mit unermüdlicher Ameisenarbeit weiter, um dem Ziel des gegenseitigen Verständnisses und Respekts und der Versöhnung näher zu kommen.

Friedensschule

Es ist unglaublich aber es gelingt uns auch in dieser schwierigen Zeit praktisch jeden Monat, einen Workshop zwischen israelischen (jüdischen und palästinensischen) und palästinensischen Studenten aus den besetzten Gebieten bei uns in NS/WS durchzuführen. Trotz allen Schwierigkeiten und Absperrungen erreichen uns die palästinensischen Studenten, zu Fuss, oder auf Eselsrücken unter der Führung vom unermüdlichen Majed aus unserer Partnerorganisation in Nablus (Nablus Youth Federation). Die Motivation beider Seiten, sich gegenseitig zu treffen und direkt ins Gespräch zu kommen ist gross. Die Ergebnisse solcher Treffen sind erstaunlich. Zahlreiche Stundenten wollen danach bei einem unserer Leiterkurse der Friedensschule ausgebildet werden, von denen wir dieses Jahr übrigens ausser unseren zahlreichen anderen Aktivitäten, mehrere parallel durchgeführt haben. Andere engagieren sich danach in anderen Friedensfördernden Organisationen.

Vor ein paar Wochen haben wir einen neuen Ausbildungskurs für Friedenspädagogen begonnen. Dieser wird während seiner ganzen einjährigen Dauer von einem Filmteam begleitet, der die besondere Methodik unserer Friedensschule dokumentieren wird.

Aus unseren zahlreichen Begegnungsworkshops für Jugendliche konnten wir auch dieses Jahr verschiedene Delegationen an internationale Begegnungen senden. Eine davon ist ein Projekt für Kinder aus Kriegsgebieten, „Urlaub vom Krieg“ das in Deutschland durchgeführt wurde. Da hat die Delegation von NS/WS die aus Kindern von Israel und Palästina besteht, die einmalige Gelegenheit, Kinder aus anderen Konfliktgebieten kennen zu lernen, was einem auch eine andere Perspektive auf den eigenen Konflikt ermöglicht.

Erziehungswesen

Eine unserer Spezialitäten in NS/WS ist, unsere Träume trotz allen Schwierigkeiten zu verwirklichen. Am 1. September wurde der Grundstein zur Erfüllung einer langjährigen Vision gelegt: Wie eröffneten bei uns in Neve Shalom/Wahat al Salam die erste jüdisch-palästinensische Sekundarschule im Nahen Osten. Das Bedürfnis, den Kindern der sechsten Klasse eine Möglichkeit zu eröffnen, in diesem so wichtigen, persönlichkeitsbildenden Alter weiterhin gemeinsam zur Schule zu gehen, besteht bei uns schon lange.

Wir haben beschlossen, dieses Jahr mit einer kleinen Gruppe ein Pilotprojekt für eine zukünftige gemeinsame Sekundarschule zu starten. Wünschen wir uns dabei allen gemeinsam viel Glück und Erfolg!

Auch dieses Jahr haben wir im Juli ein jüdisch-arabisches Sommercamp mit 140 Kindern zwischen 5-13 Jahren durchgeführt. Das Thema war arabische Kultur und Tradition, welche aktiv auf viele verschiedene Art und Weise erforscht wurde. Das Sommercamp fand in einer guten Atmosphäre der Zusammenarbeit statt.

Ich möchte Euch an einem Teil des Jahresberichtes von Schülern der dritten Klasse teilhaben lassen:

„…Wir möchten mit Euch ein kürzliches, ganz spezielles Erlebnis teilen. Es war während einer sehr intensiven Periode, während der aller unserer nationalen Gedenktage erinnert wird: Der Holocaust Tag, der Gedenktag an die gefallenen israelischen Soldaten mit dem israelischen Unabhängigkeitstag und der Gedenktag an die palästinensische Nakba (Katastrophe). In unserem Klassengespräch waren wir sehr berührt von unserer jeweiligen nationalen Geschichte. Es herrschte ein tiefes Schweigen in der Klasse, während einige von uns sich gegenseitig mitteilten. Danach sagte jeder von uns, wie er/sie sich fühlt und was „Heimatland“ für jede unserer Gruppe bedeutet.
Unsere Lehrer sagten, sie seien berührt von unserem Gespräch, von der Art wie wir uns gegenseitig anhörten, dem Respekt und unserem gegenseitigen Mitgefühl. Sie sagten, dass nicht einmal Erwachsene es immer fertig bringen, so ein ernstes und schwieriges politisches Gespräch zu führen, wie wir es taten. Natürlich machte uns dies mächtig stolz auf uns selbst….“

Ja, meine lieben FreundInnen, es gäbe noch so viel zu berichten …, aber ich will Euch diesmal nicht zu lange aufhalten.

Ich danke allen für die Unterstützung die Ihr mir bei meiner Arbeit hier gewährt. Gerne bin ich weiterhin bereit, Dia-Vorträge über unsere Friedensarbeit zu halten und nehme jede andere Art der Hilfe gerne an.

Bevor ich abschliesse, möchte ich Euch noch von einem ganz besonderen Anlass zu Gunsten von NS/WS berichten. Die Zürcher Mittelschule Stadelhofen hat am 1. April einen Sponsorenlauf unter dem Motto „Schwitzen für den Frieden“ durchgeführt und die unglaubliche Summe von CHF 30 000 dabei gesammelt! Sie wird als erste Spende für unsere neue Sekundarschule eingesetzt. Vielen speziellen Dank an alle Beteiligten!

Ich danke Euch für Eure uns so wichtige Unterstützung,

Shalom, Salam,
Evi.

 

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